Fragesteller: Mirko Nowotny (MN), Fraktionsvorsitzender der CDU Heuchelheim-Kinzenbach, Leon Hesse (LH)Bewerber für die Gemeindevertretung:

Interviewpartner: Andrea Ulrich (AU), Pressesprecherin der IWG-Gruppe, Gießen

M.N.: Guten Abend Frau Ulrich. In der Heuchelheimer Kommunalpolitik hatten wir ja gemeinsam eine Untersuchung der medizinischen Versorgungsstruktur in Auftrag gegeben. Als Partner konnten wir die IWG-Gruppe gewinnen. Was können Sie zum Einstieg zu Ihrer Gruppe sagen- was machen Sie?

Antwort: Hallo, Herr Nowotny! Also erstmal möchte ich gerne danke sagen, dass ich hier was über unsere Firmengruppe erzählen kann. Die IWG gibt es seit mehr als 20 Jahren in Gießen und trotzdem hab‘ ich das Gefühl, dass uns hier im Landkreis nur die Lokalpolitiker kennen. Dabei betrifft das, was wir machen, eigentlich jeden Menschen ganz persönlich. Also kurz gesagt: Wir sorgen dafür, dass die ambulante medizinische Versorgung in Deutschland gesichert wird. Ja, ich weiß, das klingt wie ein Werbespruch, aber lassen Sie mich das erklären.
Ich zum Beispiel bin nicht nur für die Pressearbeit zuständig, sondern arbeite auch in unserer Abteilung „Beratung und Vermittlung“. Da bringen wir Ärzte, die eine Praxis suchen mit Ärzten zusammen, die ihre Praxis abgeben möchten. Das ist jetzt aber wirklich die Kurzfassung, zur Beratung gehört natürlich noch viel mehr. In einer anderen Abteilung, das ist die, die Sie kennen, machen wir Versorgungsforschung. Da kommen entweder Gemeinden oder Landkreise auf uns zu und sagen: Liebe IWG, guckt doch mal, ob wir hier auch in Zukunft noch genügend Ärzte für unsere Bürger haben. So, und jetzt kommt eine dritte Abteilung unserer Firmengruppe ins Spiel, die Projektentwicklung. Denn in vielen Fällen kommt unsere Versorgungsforschung zu dem Schluss, dass die Kommune, die uns beauftragt hat, mit einem Ärztehaus gut beraten wäre. Das ist übrigens was anderes als ein MVZ, das würde ich hier gerne klarstellen, weil das immer wieder verwechselt wird. Vielleicht auch, weil unsere Dachmarke MEDZENTRUM heißt. In unseren Ärzte- und Gesundheitszentren arbeiten nicht nur Ärzte und Zahnärzte, sondern auch Apotheker, Therapeuten, Optiker und andere Anbieter, auch Cafébetreiber oder Pflegedienste. Ein MVZ ist etwas ganz anderes, das muss man sich ähnlich wie eine Poliklinik vorstellen, da arbeiten in der Regel nur angestellte Ärzte.

M.N.: Was können Sie zu Ihrer Person sagen?
Antwort: Ich bin evangelisch und komme aus Ostwestfalen (lacht). Nee, im Ernst, was wollen Sie wissen? Ich hab in Marburg Politikwissenschaft studiert und danach ein Volontariat bei der Oberhessischen Presse gemacht. Dann war ich lange als Medizinredakteurin tätig und bin deshalb zur IWG gegangen, weil ich hier nicht nur den Ist-Zustand unseres Gesundheitswesens beschreiben kann, sondern auch aktiv, also ganz praktisch etwas bewegen kann.

L.H.: Frau Ulrich, bei uns in der Kommune gibt es Stimmen, welche der Ansicht sind, dass wir in Heuchelheim im Grunde keine Ärzte bräuchten, denn alle nötigen Angebote gebe es ja im nahegelegenen Gießen. Persönlich halte ich diese Aussage für kurzsichtig- was haben Sie dazu rausgefunden? Wie viele Ärzte und verwandte Berufe haben wir?

Antwort: Ach wissen Sie, Herr Hesse, es geht ja in unserer Versorgungsanalyse für Heuchelheim nicht allein darum, wie viele Ärzte Sie aktuell in Ihrer Kommune haben. Dafür müssen Sie nur ins Telefonbuch gucken. Wir gehen viel tiefer und führen persönliche Gespräche mit den Akteuren. Unsere Experten nennen das Primärdatenerhebung. Die Interviews werden dann professionell analysiert. Und dabei haben die Kollegen festgestellt, dass Heuchelheim aktuell gut aufgestellt ist.

M.N.: Man liest ja immer wieder von „Medizinzentren“ oder anderen neuen Organisationsformen. Wie sieht es denn mit der Struktur der Praxen in unserer Kommune aus? Wie arbeiten unsere Mediziner?
Antwort: Meinen Sie die berühmten kooperativen Praxisstrukturen? Fast alle Ärzte in Heuchelheim arbeiten derzeit in Einzelpraxen.

L.H.: Frau Ulrich, generell haben wir ja im ganzen Land eine annehmbare Ärzteversorgung. Und je näher an einer Großstadt, desto eher steigt die Ärztedichte… Heuchelheim zählt wohl zu dieser Kategorie. Gleichwohl: Sollten noch zusätzliche Hausärzte nach Heuchelheim kommen? Wenn ja, gibt es Chancen auf den Zuzug von jungen Allgemeinmedizinern?
Antwort: Also da machen Sie aber ein großes Fass auf! Zuerst mal: Ob wir wirklich im ganzen Land eine annehmbare Ärzteversorgung haben, ist sicher eine Frage der Perspektive. Eltern, die keinen Kinderarzt finden, oder Rheumapatienten, die keinen Fachinternisten finden, gibt es mittlerweile leider auch in Städten. Was Heuchelheim angeht: Sie haben wirklich Glück! Es ist nicht allein die Nähe zur Metropolregion Rhein-Main, sondern vermutlich in erster Linie die Nähe zu Gießen mit dem großen Uniklinikum, die dazu führt, dass Heuchelheimer keine allzu langen Wege zum Arzt haben. Was nun aber Ihre Frage nach zusätzlichen Hausärzten betrifft, das ist nicht so einfach. Es gibt die sogenannte Bedarfsplanung. Die regelt vereinfacht gesagt, wie viele Kassenärzte es geben darf. Da Heuchelheim zum Mittelbereich Gießen gehört, weiß ich zufällig auswendig, dass es noch freie Sitze gibt. Also: Ja, es
könnten sich noch weitere Hausärzte in Heuchelheim niederlassen. Die wichtigere Frage aber ist: Finden die jetzt bereits tätigen Hausärzte einen Nachfolger, wenn sie in den Ruhestand gehen wollen? Sprich: Besteht die Gefahr, dass sich die aktuell gute Versorgungssituation in wenigen Jahren verschlechtert, vielleicht sogar dramatisch verschlechtert? Das ist die entscheidende Frage.

M.N.: Die eine Sache sind Hausärzte oder Zahnärzte, die andere Spezialisten…sehen Sie eine Chance, dass wir den einen oder anderen Facharzt noch gewinnen können?
Antwort: Warum nicht? Heuchelheim ist doch ein attraktiver Standort! In der Bedarfsplanung ist zwar kein freier Sitz, aber eine rein privatärztliche Niederlassung wäre durchaus möglich.
M.N.: Nun sind die Untersuchungsergebnisse ja nicht vom Himmel gefallen. Frau Ulrich, wie ist denn Ihr Unternehmen bei der Untersuchung vorgegangen?
Antwort: Unsere Abteilung Versorgungsforschung richtet sich nach den wissenschaftlich erarbeiteten Standards und wendet die vorgeschriebenen Methoden an. Ich möchte hier nicht allzu weit ausholen. Wussten Sie, dass es einen eigenen Masterstudiengang Versorgungsforschung gibt? Also das ist wirklich ein weites Feld! Wenn ich Ihnen das genau erkläre, sitzen wir hier die ganze Nacht. Okay, ich versuch’s mal:

Die Experten der Abteilung Versorgungsforschung suchen den fachlichen Austausch zu den ortsansässigen Akteuren der Gesundheitsversorgung. In Einzelgesprächen mit den niedergelassenen Hausärzten, Fachärzten sowie weiteren Leistungserbringern im Gesundheitswesen erfragen die Experten deren persönliche Einschätzung der gegenwärtigen und zukünftigen Versorgungssituation. Ziel dieser Primärdatenerhebung ist es zu erfahren, welcher der Akteure in welchem Umfang tätig ist und wie ihre Lebensplanung aussieht. Des Weiteren wird identifiziert, wer bereit ist, an einer Neuordnung und Modernisierung der ambulanten medizinischen Versorgung aktiv mitzuwirken, also zum Beispiel in ein neues Ärzte- und Gesundheitszentrum umzuziehen. Im nächsten Schritt werden die aus den Gesprächen erhobenen Daten ausgewertet, sodass durch die Interpretation der Analyseergebnisse eine konkrete Handlungsempfehlung zur nachhaltigen Sicherung und Optimierung der ambulanten medizinischen Versorgung entwickelt werden kann. Die Medizinrechtskanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar prüft zuvor sämtliche potenzielle Handlungsempfehlungen auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit.
Zusammenfassend: Die Versorgungsanalyse ermöglicht einerseits eine realistische Beschreibung des tatsächlichen Zustands der kommunalen medizinischen Versorgung und bildet andererseits die Grundlage und Vorarbeit für darauffolgende Schritte zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung.

L.H.: Das war alles sicherlich mit einem gewissen Aufwand verbunden. Was die Menschen in Heuchelheim und Kinzenbach natürlich am meisten interessiert: Was kann man über die aktuelle medizinische Versorgungslage in dieser Kommune sagen?
Antwort: Aktuell ist die Lage gut.

M.N.: Frau Ulrich, zur Zeit haben wir einen überregional bekannten Orthopäden als Facharzt. Der ist auch nicht mehr der Jüngste. Weiter wohnen sehr viele Fachärzte aufgrund der guten Lage hier in der Kommune, die vielen Bürgern bekannt sind. Sind denn Personen an Sie herangetreten, die noch weitere Fachärzte fordern?

Antwort: „Fachärzte fordern“, das würde ich nicht sagen. Aber wir haben natürlich gefragt, welche Fachgruppen wünschenswert wären. Da wurden an erster Stelle Fachinternisten genannt, dann Haut- und Kinderärzte.

M.N.: Wir leben ja in einer Zeit, wo sich die Verkehrsarten aufsplitten werden, nicht jeder hat mehr automatisch ein Auto. Wie steht es um die Anbindung unserer Mediziner mit den öffentlichen Verkehrsmitteln?

Antwort: Bei unserer Befragung waren mit einer Ausnahme alle medizinischen Leistungserbringer zufrieden mit der Anbindung an den ÖPNV.

M.N.: Frau Ulrich, das war schon viel geballte Information… Wir kommen so langsam zum Ende. Sieht Ihr Unternehmen Möglichkeiten, ein MEDZENTRUM anzusiedeln?
Antwort: Sie kennen ja die Ergebnisse der Analyse. Unsere Experten kamen in dem Bericht zu dem Schluss, dass sie der Gemeinde Heuchelheim nicht zu einem Ärztehaus raten können. Und zwar nicht nur, weil die aktuelle Versorgungslage in Heuchelheim so gut ist. Sondern in erster Linie, weil Ihre Ärzte so zufrieden sind, dass sie gar keinen Grund sehen, in einen Neubau umzuziehen.
Wenn wir von der IWG ein MEDZENTRUM planen, dann machen wir das nur, wenn wir auch potenzielle Mietinteressenten in Aussicht haben. Unser Ziel ist die nachhaltige Sicherung der ambulanten medizinischen Versorgung. Das gelingt nicht allein durch den Bau einer neuen Immobilie, schön wär’s. Da gehört eine professionelle Projektentwicklung dazu und – jetzt kommt mein Werbeblock: Wir in der IWG-Gruppe sind dafür die besten, weil wir so gut vernetzt sind. Insbesondere die Medizinrechtskanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar steht uns und unseren Mietern mit ihrer medizinrechtlichen Expertise zur Seite.

L.H.: Ich vernehme, dass die Lage in Heuchelheim und Kinzenbach gut ist und kein akuter Anlass zur Sorge besteht. Gibt es trotzdem Felder, welche wir von der Kommunalpolitik aus im Auge haben sollten?
Antwort: Na klar. Zum einen, das habe ich schon erwähnt, sollten Sie die Entwicklung im Auge behalten. Unsere Analyse haben wir im vergangenen Jahr gemacht. Die meisten Interviews wurden sogar noch vor Corona geführt! Vieles, auf das wir alle uns verlassen haben, ist im vergangenen Jahr weggebrochen, Menschen sind verunsichert, haben Zukunftsängste, sind weniger risikofreudig. Ich finde, gerade in der Kommunalpolitik sollten die Verantwortlichen die Nähe zu ihren Bürgerinnen und Bürgern nutzen und ihnen zuhören. Zum anderen, wenn ich das sagen darf: Suchen Sie interkommunale Kooperationen, schauen Sie, was die Nachbargemeinden so machen. Es muss nicht jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kochen.

M.N.: Zu guter Letzt, Frau Ulrich: Um eine ärztliche Kompetenz auch in Kinzenbach zu unterhalten, hatten wir vor fast zwei Jahren angedacht in dem Dorf eine Immobilie für Ärzte zu errichten. Vorerst ist es nicht dazu gekommen. Was können Sie der Heuchelheimer Kommunalpolitik empfehlen? Soll die Gemeinde eine Gesundheitsimmobilie bauen?
Antwort: Ich glaube, ich habe bereits deutlich gemacht, dass unsere Handlungsempfehlung aktuell vom Bau einer Gesundheitsimmobilie in Heuchelheim abrät.

Mirko Nowotny und Leon Hesse: Frau Ulrich, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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